Ich befinde mich gerade in einer Phase meines Lebens in der ich mich gefühlt jeden Tag neu erfinde. Es kommen immer mehr Facetten und Puzzlesteine zusammen, die wieder mehr von der jungen, lebensfrohen und unzensierten Barbara offenbaren. Doch diese junge Version wird vervollständigt durch Resilienz, die auf Lebenserfahrung fußt.
Ich hatte mich vor fast fünf Jahren nach über 12 Jahren Ehe von meinem Mann getrennt. Warum? Weil mein Körper mir gesagt hat, dass er das Kreuz nicht mehr tragen kann. Wer von euch kennt das, dass man morgens bleischwer im Bett liegt, das Kreuz einem weh tut und egal wieviel Sport oder Physiotherapie man macht, es einfach nicht weggehen will? Ich wachte also eines Morgens auf und dachte, dass ich es nicht mehr schaffe aus dem Bett zu kommen. Und da wusste ich es. Ich habe mich selbst vollständig aufgegeben und mir die Bedürfnisse meiner Umwelt als einzigen Lebenszweck aufgebürdet. Und die größte Bürde war zu wissen, dass mein Mann und ich uns nicht mehr lieben, ich aber weiterhin alles tue, damit es ihm gut geht, er sich aber in seine Arbeit stürzt und mich nicht mehr sieht. Ich konnte das nicht mehr ignorieren und habe direkt nach dem Frühstück gesagt: „So geht das nicht weiter, ich will, dass wir uns trennen.“ Er hat Gott sein Dank zugestimmt. Wir hatten eine lange Reise teilweise gemeinsam, teilweise einzeln aber immer in Begleitung von Familienberatung oder Therapeuten, die uns und die Phase begleitet haben. Wir sind beide gestärkt raus gegangen und haben für unsere Kinder eine Familie erhalten können. Ich habe für mich angefangen Dinge zu tun, die ich immer aufgeschoben habe. Ich habe Reisen unternommen, die ich schon immer machen wollte, habe mir endlich Kleidung gekauft, die ich mir davor nie gegönnt habe. Durch die klare Teilung der Kinderbetreuung hatte ich endlich definierte freie Zeit, die ich genutzt habe, um zu lernen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren, was Coaching ist, etc.
Ich werde von vielen Frauen um meine freie Zeit beneidet oder wer von Euch Müttern wünscht sich nicht so klare freie Zeit zu haben, um sie für Dinge nutzen zu können, die man wirklich liebt?
Also fühlte ich mich schon etwas erhaben über all die Frauen, die nicht für ihre Rechte einstehen und dem Mann den Rücken freihalten und sich darüber vollständig vergessen. Die nach einer Trennung sich vom Partner über den Tisch ziehen lassen, weil der Streit ja nicht gut für die Kinder wäre. Sie dann aber leer ausgehen und ihren Kindern nichts mehr bieten können. Dieses Wochenende wurde ich kurz geerdet, denn ich habe mich dabei erwischt, wie ich meine Wochenendpläne um die Pläne meines Ex-Partners herum gestalten wollte. Und wie kam das? Wir waren als Familie zwei Wochen im Urlaub und er hat seine neue Partnerin sehr vermisst und wollte sie unbedingt am liebsten gleich an unserem Anreisetag wiedersehen. Dazu wollte er zu ihr fahren. Und ich war gleich im vorauseilenden Gehorsam im alten Muster… er soll glücklich sein, das mach ich ihm natürlich möglich und ich habe ja keinen Partner, der auf mich akut wartet. Also sage ich zu, die Kinder am Wochenende zu übernehmen.
Gott sei Dank kam aber kam die Erkenntnis noch auf der Rückfahrt vom Urlaub. Ich habe ihn einfach gefragt. „Du es ist doch mein freies Wochenende und ich habe schon Dinge ausgemacht, ginge es nicht, dass deine Partnerin zu dir kommt?“ Und es war natürlich kein Problem, denn sie wollte ihn auch unbedingt sehen. Ich konnte also mit meiner Freundin wandern gehen und mit einer anderen am nächsten Tag mich der Coaching Ausbildung widmen und er hat das Wochenende mit den Kids gewuppt.
Mich hatte dieses Wochenende gelehrt, dass man sich als Frau bewusst jeden Tag neu daran erinnern muss, dass man wichtig ist und ein Recht darauf hat freie Zeit zu haben, Karriere zu machen oder auch nur Bücher zu lesen, Bilder zu malen, mit Freundinnen auszugehen, ohne dass diese Aktivitäten um den Kalender und die Pläne des Partners oder den Vater der Kinder planen zu müssen. Frau darf schlechte Tage haben, Verpflichtungen abgeben und muss nicht alleine die Welt im privaten Umfeld retten. Und sie muss sich so lange daran erinnern, bis es so natürlich ist, wie atmen. Und wenn es für sie natürlich ist, dann es ist es auch für das Umfeld.